Pubertät bei Kindern mit PCH2

Pubertät bei Kindern mit PCH2

Die Pubertät ist eine Zeit der Veränderung. Aus dem Kind wird ein Erwachsener, körperlich und seelisch. Mit Beginn der Sexualhormonproduktion beginnt sich der Körper der Jugendlichen zu verändern.

Verlauf der Pubertät

Im Laufe der Pubertät bilden sich die sekundären Geschlechtsmerkmale: hierzu zählen geschlechtstypische Körperbehaarung und Körperproportionen, Brustwachstum und Menstruation bei den Mädchen, Stimmbruch und Hervortreten des Kehlkopfes bei den Jungen. Zusätzlich kommt es zu Wachstumsschüben und einhergehend mit den zahlreichen körperlichen und hormonellen Veränderungen zu emotionalen Berg- und Talfahrten.

Bei Mädchen beginnt das Brustwachstum ebenso wie das Wachstum der typisch weiblichen Behaarung (Thelarche und Pubarche), Vagina und Uterus reifen aus und es kommt zur ersten Menstruation (Menarche). Diese findet zumeist 2-3 Jahre nach Beginn der Pubertät statt.

Bei Jungen vergrößert sich das Hodenvolumen, Penis und Muskelmasse wachsen ebenso wie die typisch männliche Behaarung. Es kommt zu ersten (nächtlichen) Ejakulationen und zum Stimmbruch.Der zeitliche Beginn der Pubertät ist neben genetischen noch von zahlreichen weiteren Faktoren abhängig. So zum Beispiel vom Gesundheits- und Ernährungszustand oder auch emotionalem Stress. In der Regel beginnt die Pubertät bei Mädchen im Alter von circa 11 Jahren, bei Jungen mit 13 Jahren.

Pubertas praecox (vorzeitige Pubertätsentwicklung)

Von einer vorzeitigen Pubertätsentwicklung spricht man, wenn sich die äußeren Sexualmerkmale bei Mädchen bereits vor dem 8. Geburtstag, bei Jungen vor dem 9. Geburtstag entwickeln.

Pubertas tarda (verzögerte Pubertätsentwicklung)

Eine verzögerte Pubertätsentwicklung liegt vor, wenn bei Mädchen bis zum Alter von 13,5 Jahren, bei Jungen bis zum 14. Geburtstag keine Pubertätsmerkmale vorhanden sind.

Pubertät bei beeinträchtigten Kindern

Bei behinderten Kindern kommt es vor, dass sie entweder deutlich zu früh oder zu spät in die Pubertät kommen. Aber auch wenn die Pubertät zeitgerecht eintritt, stellt sie die pflegenden Bezugspersonen nochmal vor ganz neue Herausforderungen.

Neue Aspekte müssen nun mitbedacht werden, neue Fragen kommen auf

  • Orthopädische Probleme wie beispielsweise eine Skoliose können sich durch einen Wachstumsschub verschlechtern
  • Bestehende Symptome können sich verändern. Beispielsweise können epileptische Anfälle häufiger oder weniger häufig auftreten
  • Soll das Kind gegen HPV geimpft werden?
  • Soll die Menstruation bei Mädchen medikamentös unterdrückt bzw. reguliert werden?
  • Fragen nach Verhütungsmethoden (auch im Hinblick auf Zyklusregulation)
  • Passende Hygiene während der Menstruation
  •  Könnten Menstruationsbeschwerden Gründe für Unruhe sein?
  • Rasieren im Intimbereich?
  • Ist es unserem Kind unangenehm, von einem gegengeschlechtlichen Pflegenden im Intimbereich gesäubert zu werden?
  • Wie möchte mein nun (fast) erwachsenes Kind behandelt werden? Kleidungsstil, Ansprache, etc.

Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr soll sie ermutigen, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, sich darüber hinaus Gedanken zu machen und sich zu informieren.

Anlaufstellen

Eine erste Anlaufstelle für medizinische Fragen rund um die Pubertät ist die Fachärztin oder der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin (kurz Kinderärztin/ Kinderarzt). Zusätzlich können bei weiteren oder spezifischen Fragen entsprechende Fachrichtungen (Gynäkologie/Urologie) hinzugezogen werden. In Bezug auf pflegerische Fragen und Fragen hinsichtlich der emotionalen Seite der Pubertät können Erfahrungen anderer Eltern behinderter Kinder hilfreich sein (Austausch in Foren, persönlicher Austausch, etc.)

Auf Augenhöhe

Die Pubertät stellt eine große Veränderung im Leben junger Menschen dar. Gleichaltrige gesunde Jugendliche sind nach der Pubertät (fast) selbstbestimmte Erwachsene. Kinder mit PCH2 bleiben auch danach noch auf Hilfe und Pflege angewiesen und sind von den Entscheidungen der Pflegenden abhängig. Daher sollte es ein Anliegen aller in die Pflege eines behinderten jungen Erwachsenen eingebundenen Personen sein, diesen jungen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und ihr Selbstbestimmungsrecht -soweit möglich- zu respektieren, zu fördern und zu unterstützen.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Daten aus der Literatur

Von einem hypoplastischen männlichen Genitale bzw. einem Maldescensus testis im Zusammenhang mit PCH wurde in der Literatur mehrfach berichtet (Hashimoto et al. 1998; Grellner et al. 2000; Anderson et al. 2011)

Natural History Study von 2014

Über den Verlauf der Pubertät konnten aufgrund der geringen Datenlage kaum Angaben gemacht werden. Bei zwei Mädchen wurde eine deutlich zu frühe Pubertätsentwicklung beschrieben (im Alter von 6 Jahren bzw. 2 Jahren). Bei den Jungen wurde in 8 von 10 Fällen ein Maldescensus testis (Hodenhochstand) beobachtet. Ein Kind zeigte ein hypoplastisches männliches Genitale.

Natural History Study von 2023

Insgesamt wurden die Daten von 52 Kindern im Hinblick auf die Pubertät erhoben. Von den 52 Kindern waren 12 Kinder bereits 12 Jahre oder älter.

Im Hinblick auf eine vorzeitige Pubertätsentwicklung, einen Hodenhochstand oder eine Häufung epileptischer Anfälle vor der Pubertät zeigten 69,2% der Kinder keine Auffälligkeiten.

Von den insgesamt 26 Jungen hatten 42,5% einen Hodenhochstand.

Von den 15 Kindern, die bereits 12 Jahre (oder älter) waren, zeigten 33,3% eine Häufung epileptischer Anfälle während der Pubertät.

In 3,8% der Fälle kam es zu einer vorzeitigen Pubertätsentwicklung (Jungen vor dem 9. Lebensjahr, Mädchen vor dem 8. Lebensjahr).

Eine verzögerte Pubertätsentwicklung wurde in lediglich einem Fall beobachtet, wobei es sich in diesem Fall um ein stark dystrophes (mangelernährtes) Kind handelte, dessen Gewicht zum Zeitpunkt der Befragung unterhalb der 3. PCH2-Perzentile lag.

In offenen Antworten wurde in mehreren Fällen von krampfartigen Menstruationsbeschwerden der Töchter berichtet; in einem Fall ließ die Unruhe des Kindes nach der abgeschlossenen Pubertät nach.

Dieser Eintrag wurde nach bestem Wissen aufgrund berichteter Erfahrungen von Eltern betroffener Kinder verfasst. Zusätzlich wurden aktuell verfügbare Daten aus der Studie zum natürlichen Verlauf der PCH2 von 2014 und 2023 und der allgemeinen medizinischen Literatur eingearbeitet. Er ersetzt nicht eine ärztliche Konsultation. PCH2cure übernimmt diesbezüglich keinerlei Haftung.

  • Anderson C, Davies J H, Lamont L, Foulds N (2011) Early pontocerebellar hypoplasia with vanishing testes: A new syndrome? Am J Med Genet A 155A(4): 667-672
  • Grellner W, Rohdeb K, Wilskea J (2000) Fatal outcome in a case of pontocerebellar hypoplasia type 2. Forensic Sci Int 113: 165-172
  • Hashimoto K, Takeuchi Y, Kida Y, Hasegawa H, Kantake M, Sasaki A, Asanuma K, Isumi H, Takashima S (1998) Three siblings of fatal infantile encephalopathy with olivopontocerebellar hypoplasia and microcephaly. Brain Dev 20: 169-174
  • Natural History Study von 2014: Frölich S. Natürlicher Verlauf der Pontocerebellären Hypoplasie Typ 2 [Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin] Tübingen: Eberhard-Karls-Universität; 2014
  • Natural History Study von 2023: Kuhn A L. Gastrointestinale Symptome, Ernährung und Gedeihen bei Pontocerebellärer Hypoplasie Typ 2 A [Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin] Freiburg im Breisgau: Albert-Ludwigs-Universität; 2023

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