Schwangerschaft, Geburt und Neonatalperiode mit einem an PCH2 erkrankten Kind

Schwangerschaft, Geburt und Neonatalperiode mit einem an PCH2 erkrankten Kind
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In den allermeisten Fällen ist eine Erkrankung des ungeborenen Kindes an PCH2 während der Schwangerschaft noch nicht bekannt. Seit einigen Jahren ist eine Diagnose mittels eines genetischen Tests allerdings auch bereits vor der Geburt möglich. Da es sich aber um eine sehr seltene Erkrankung handelt, wird dieser lediglich bei Familien durchgeführt, bei denen ein erhöhtes Risiko bekannt ist. Das bedeutet, dass entweder ein Geschwisterkind bereits an PCH2 erkrankt ist oder bekannt ist, dass die Mutation innerhalb der Familie vorliegt.

Schwangerschaftsverlauf

Zumeist kommt es in der Schwangerschaft mit einem an PCH2 erkrankten Kind nicht zu spezifischen Auffälligkeiten

Spezifische Auffälligkeiten wie ein Polyhydramnion (zu viel Fruchtwasser), Zittern des Kindes im Mutterleib oder ein zu kleiner Kopfumfang, die in der Literatur mit dem Vorliegen einer PCH- Erkrankung in Zusammenhang gebracht werden, kommen in circa der Hälfte der Schwangerschaften vor. 

Beinahe jede zweite Schwangerschaft mit einem an PCH2 erkrankten Kind verläuft aber ohne besondere Auffälligkeiten. Die zumeist in der 2. Schwangerschaftshälfte durchgeführten sonographischen Untersuchungen des Gehirns ergeben nur in seltenen Fällen Auffälligkeiten wie beispielsweise eine Mikrozephalie (zu kleiner Kopfumfang).

Geburt

Weder im Hinblick auf Frühgeburtlichkeit noch im Hinblick auf die Rate an durchgeführten Kaiserschnitten ergeben sich bei den an PCH2 erkrankten Kindern Auffälligkeiten. So kommen die meisten Kinder als Reifgeborene zur Welt und die Kaiserschnittrate liegt nicht über dem Durchschnitt aller Geburten.

Neonatalperiode

Bei der Geburt liegen die Kinder mit PCH2 im Hinblick auf ihr Gewicht und ihre Körperlänge im Normbereich

Der Kopfumfang liegt zumeist im unteren Normbereich oder es liegt bereits zum Zeitpunkt der Geburt eine Mikrozephalie (zu kleiner Kopfumfang) vor. 

Obwohl die Werte, die das Wohlergehen eines Neugeborenen beschreiben, also der APGAR-Wert und die Messung des Nabelarterien-pH ebenfalls unauffällig sind, müssen viele an PCH2 erkrankte Kinder bereits innerhalb der ersten Lebenstage in eine Kinderklinik zur Weiterbehandlung verlegt werden. Gründe hierfür sind Atemprobleme, Fütterschwierigkeiten oder allgemeine Anpassungsstörungen

Bereits innerhalb des ersten Lebensmonats (Neonatalperiode) zeigen fast alle Kinder bereits PCH2-typische Auffälligkeiten wie beispielsweise Fütterschwierigkeiten, vermehrte Unruhe bzw. abweichende Muskelspannungszustände, Schläfrigkeit oder Atemprobleme.

Im deutschsprachigen Elternforum berichten einige Eltern, dass sie aufgrund oben genannter Symptome ihrer Neugeborenen auf Drogenkonsum in der Schwangerschaft angesprochen wurden. Ein Drogen- oder auch Zigarettenmissbrauch während der Schwangerschaft kann zu Entzugssymptomen bei Neugeborenen führen, welche den Symptomen eines Kindes mit PCH2 ähneln. Da die Entzugssymptomatik eine im klinischen Alltag, verglichen mit PCH2, häufiger vorkommende Diagnose darstellt, kann es zu entsprechenden Nachfragen seitens der betreuenden Ärzte kommen. Selbstverständlich haben die sich ähnelnden Symptome aber grundlegend verschiedene Ursachen.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Daten aus der Literatur

  • Steinlin et al. (2007) berichteten von 14 durchgeführten Ultraschalluntersuchungen in der 2.  Schwangerschaftshälfte, welche alle unauffällig waren
  • Graham et al. (2010) kamen zu der Überzeugung, dass auf dem heutigen Stand eine zuverlässige Diagnosestellung mittels des vorgeburtlichen Ultraschalls nicht erfolgen kann
  • Bei Steinlin et al. (2007) wurden 2 von 21 Kindern zu früh geboren. Ein Kaiserschnitt wurde in 3 von 21 Fällen durchgeführt
  • Namavar et al. (2011) berichteten von 11 Frühgeborenen in einer Kohorte von 63 Kindern
  • In den Publikationen von Steinlin et al. (2007), Barth et al. (2007 und 2008) und Namavar et al. (2011) wird bestätigt, dass der Kopfumfang in einzelnen Fällen bereits zum Zeitpunkt der Geburt zu klein ist, allerdings nicht immer unbedingt im pathologisch niedrigen Bereich liegen muss, sich die Mikrozephalie aber im Verlauf der frühen Kindheit bei allen Erkrankten zunehmend entwickelt
  • Auffälligkeiten innerhalb des ersten Lebensmonats werden in zahlreichen Publikationen beschrieben. So berichten Steinlin et al. (2007) und Namavar et al. (2011) von beatmungspflichtigen Kindern, Abweichungen vom normalen Muskeltonus fanden Barth et al. (2007) und Steinlin et al. (2007), sie beschrieben auch erste Krampfanfälle innerhalb der ersten Lebenswochen

Natural History Study von 2014

Schwangerschaft

14 der 33 Schwangerschaften verliefen unauffällig. In 19 Schwangerschaften traten zumeist unspezifische Auffälligkeiten wie eine intrauterine Wachstumsretardierung (3 Fälle), vermehrte (7 Fälle) oder verminderte Kindsbewegungen (2 Fälle) oder ein Schwangerschaftsdiabetes (2 Fälle) auf.

Spezifische Auffälligkeiten wie eine Mikrozephalie (4 Fälle), ein Polyhydramnion (zu viel Fruchtwasser, 4 Fälle) oder ein Zittern des Ungeborenen (6 Fälle) traten in insgesamt 10 Schwangerschaften auf (Mehrfachnennungen waren möglich).

In den 4 Fällen, in denen eine Mikrozephalie bereits pränatal diagnostiziert wurde, erfolgte die Diagnose zwischen der 32. und 35. Schwangerschaftswoche.

In insgesamt 29 Schwangerschaften war eine intrauterine Ultraschalluntersuchung im Rahmen des Trimesterscreenings durchgeführt worden, in 8 Fällen zusätzlich ein spezielles Ultraschallverfahren zur genauen Beurteilung von Gehirn und Kleinhirn. Gründe hierfür waren vorliegende Auffälligkeiten in der Schwangerschaft oder in 4 Fällen die Erkrankung an PCH2 eines Geschwisterkindes. Lediglich in den oben genannten 4 Fällen wurde im Rahmen dieser Untersuchungen eine Mikrozephalie diagnostiziert, in einem Fall wurde eine Flüssigkeitsansammlung am Kleinhirn festgestellt.

In einem Fall wurde eine MRT Untersuchung des Gehirns des Ungeborenen in der 21. SSW durchgeführt, auch diese zeigte keine pathologischen Befunde.

Geburt

Die Kinder wurden im Durchschnitt zwischen der 39. und 40. SSW geboren, 2 Kinder waren Frühgeborene der 36. SSW. In 9 Fällen wurde ein Kaiserschnitt durchgeführt.

Das mittlere Geburtsgewicht lag bei 3378,8 g, die mittlere Körperlänge bei 51,4 cm und der mittlere Kopfumfang bei 33,5 cm. All diese Werte entsprechen den Normwerten, wobei der Kopfumfang im niedrig normalen Bereich liegt.

Obwohl der pH-Wert und die APGAR-Werte nach der Geburt im Mittel im Normbereich lagen, mussten 20 Kinder nach der Geburt in einer Kinderklinik weiterversorgt werden. Gründe hierfür waren Atemprobleme, Fütterschwierigkeiten und Auffälligkeiten im Bewegungsmuster wie Myoklonien und Hypertonien.

Neonatalperiode

Innerhalb ihres ersten Lebensmonats zeigten 32 der 33 Kinder Auffälligkeiten. In absteigender Häufigkeit waren dies Fütterschwierigkeiten, Unruhe/Irritabilität/ vermehrte Schläfrigkeit, muskulärer Hypertonus, langes/vermehrtes Schreien.

In 13 Fällen machten die Fütterschwierigkeiten bereits im ersten Lebensmonat eine (vorübergehende) Sondenernährung notwendig.

2 Kinder zeigten bereits in der Neonatalperiode Krampfanfälle.

Natural History Study von 2023

Schwangerschaft und Geburt

Betrachtet wurden die Schwangerschaften und Geburten der 33 Kinder der Tübinger Studie von 2014 und der 32 Kinder der Freiburger Studie, sodass Daten von 65 Schwangerschaften und Geburten einflossen. Die Schwangerschaften dauerten im Mittel 39,6 Wochen. Es kam zu keiner Mehrlingsgeburt. Insgesamt 3 Kinder kamen zu früh zur Welt, was einer Frühgeborenenrate von 4,6% entspricht. Das mittlere Geburtsgewicht der reifgeborenen Kinder betrug 3457,5 g, die mittlere Geburtslänge 51,7 cm und der mittlere Kopfumfang 33,9 cm. Die APGAR-Werte nach 5 und 10 min betrugen in den meisten Fällen 9-10  (44/60 nach 5 min bzw. 54/60 nach 10 min). Der Nabelarterien pH lag im Mittel bei 7,28.

Neonatalperiode

Hier lagen 53 Daten vor. Von diesen 53 Kindern mussten 39 Kinder innerhalb ihres ersten Lebensmonats in einer Kinderklinik stationär weiterbehandelt werden. 36 dieser Kinder wurden bereits innerhalb der ersten 72 Lebensstunden in eine Kinderklinik verlegt. 22 der Kinder benötigten eine nasogastrale Sonde (in 13 Fällen war eine Ernährung über diese Sonde auch noch nach Entlassung aus dem Krankenhaus erforderlich), 15 Kinder wurden mit einem Heimmonitor zur Überwachung der Vitalparameter nach Hause entlassen. 14 Kinder benötigten Sauerstoff (in 2 Fällen auch noch nach Entlassung aus der Klinik), 4 Kinder mussten beatmet werden. In 11 Fällen wurde eine Antibiotikatherapie durchgeführt.

Die häufigsten in der Neonatalperiode aufgetretenen Schwierigkeiten waren in absteigender Reihenfolge:  Fütterschwierigkeiten , Unruhe/ Irritabilität, muskuläre Hypertonie, Schläfrigkeit, auffällige Bewegungsmuster, übermäßiges Schreien, muskuläre Hypotonie, Apnoen, zu starke Gewichtsabnahme und in 5 Fällen Krampfanfälle.

Dieser Eintrag wurde nach bestem Wissen aufgrund berichteter Erfahrungen von Eltern betroffener Kinder verfasst. Zusätzlich wurden aktuell verfügbare Daten aus der Studie zum natürlichen Verlauf der PCH2 von 2014 und 2023 und der allgemeinen medizinischen Literatur eingearbeitet. Er ersetzt nicht eine ärztliche Konsultation. PCH2cure übernimmt diesbezüglich keinerlei Haftung.

  • Barth P G, Aronica E, de Vries L, Nikkels P G, Scheper W, Hoozemans J J, Poll-The B T, Troost D (2007) Pontocerebellar hypoplasia type 2: a neuropathological update. Acta Neuropathol 114(4): 373-386
  • Barth P G, Ryan M M, Webster R I, Aronica E, Kan A, Ramkema M, Jardine P, Poll-The B T (2008) Rhabdomyolysis in pontocerebellar hypoplasia type 2 (PCH-2). Neuromuscul Disord 18(1):52-58
  • Graham J M, Jr., Spencer A H, Grinberg I, Niesen C E, Platt L D, Maya M, Namavar Y, Baas F, Dobyns W B (2010) Molecular and neuroimaging findings in pontocerebellar hypoplasia type 2 (PCH2): is prenatal diagnosis possible? Am J Med Genet A 152A(9): 2268-2276
  • Namavar Y, Barth P G, Kasher P R, van Ruissen F, Brockmann K, Bernert G, Writzl K, Ventura K, Cheng E Y, Ferriero D M, Basel-Vanagaite L, Eggens V R, Krägeloh-Mann I, De Meirleir L, King M, Graham J M, Jr., von Moers A, Knoers N, Sztriha L, Korinthenberg R, Dobyns W B, Baas F, Poll-The B T (2011) Clinical, neuroradiological and genetic findings in pontocerebellar hypoplasia. Brain 134(Pt 1): 143-156
  • Steinlin M, Klein A, Haas-Lude K, Zafeiriou D, Strozzi S, Müller T, Gubser-Mercati D, Schmitt Mechelke T, Krägeloh-Mann I, Boltshauser E (2007) Pontocerebellar hypoplasia type 2: variability in clinical and imaging findings. Eur J Paediatr Neurol 11 (3): 146-152
  • Studie von 2014: Frölich S. Natürlicher Verlauf der Pontocerebellären Hypoplasie Typ 2 [Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin] Tübingen: Eberhard-Karls-Universität; 2014
  • Studie von 2023: Kuhn A L. Gastrointestinale Symptome, Ernährung und Gedeihen bei Pontocerebellärer Hypoplasie Typ 2 A [Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin] Freiburg im Breisgau: Albert-Ludwigs-Universität; 2023

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