Fütterschwierigkeiten

Fütterschwierigkeiten
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Fütterschwierigkeiten sind ein sehr weit gefasster Begriff. Insgesamt wird von einer abweichenden Füttersituation gesprochen, wenn die Dauer einer Mahlzeit 30 min überschreitet, sehr häufige Mahlzeiten nötig sind (häufiger als alle 2 Stunden) oder es beim Essen zu vermehrtem Verschlucken/ Husten kommt.

Situation bei PCH2-Kindern

Die Sicherstellung der ausreichenden Versorgung mit Flüssigkeit und Nahrung, sowie ggf. der oralen Einnahme von Medikamenten, ist in der Pflege von an PCH2 erkrankten Kindern ein zentraler Punkt.

Fütterschwierigkeiten zeigen sich bei an PCH2 erkrankten Kindern sehr häufig. Sie beginnen meist bereits sehr früh und eine Verbesserung mit zunehmendem Alter wurde nur in einzelnen Fällen berichtet.

Bei der PCH2 zeigen sich v.a. Schwierigkeiten mit der Mundmotorik (z.B. Schließen des Mundes um den Löffel/ Sauger) und dem Schlucken, sodass ein Teil der Nahrung wieder aus dem Mund herausfließt. Hinzu kommen Verschlucken mit Husten und Würgen, allgemeine Unruhe und die Bewegungsstörung, welche den Vorgang der Nahrungsaufnahme erschweren. Das Verschlucken kann in schweren Fällen zu einer Aspiration führen, also dem Eindringen von Nahrung oder Flüssigkeiten in die Atemwege. Ist es nicht möglich diese durch einen ausreichenden Hustenreiz wieder auszuhusten, kann es zu Entzündungen der Lunge (Pneumonien) kommen.

Viele Eltern berichten, dass es ihren Kindern lediglich möglich ist, fein pürierte, breiige Nahrung zu sich zu nehmen. Auch wird berichtet, dass sich die Kinder mit dem Schlucken angedickter Nahrung/ Flüssigkeiten leichter tun als mit flüssigeren Breien oder puren Flüssigkeiten. 

Einige Familien berichteten von einer Entspannung der Essenssituation durch die Anlage einer PEG-Sonde. Eine PEG (perkutane endoskopische Gastrostomie)-Sonde ist ein endoskopisch angelegter künstlicher Zugang von außen durch die Bauchdecke in den Magen und dient der künstlichen Ernährung. Hierdurch kann eine kontinuierliche und ausreichende Flüssigkeits- und Nährstoffzufuhr (und ggf. Medikamenteneinnahme) gewährleistet werden, sie kann aber auch nur bei Bedarf benutzt und das Kind ansonsten weiterhin oral ernährt werden. Demgegenüber stehen die Risiken des operativen Eingriffs einer PEG Anlage, wobei dies nicht Thema dieses Eintrags ist und in jedem einzelnen Fall von Eltern und Ärzten individuell abgewogen werden muss.

Eine weitere Möglichkeit der Sondenernährung ist eine Nasen-Magen-Sonde. Diese wird von den Kindern meist aber eher schlecht toleriert und kann auch lediglich eine vorübergehende Lösung darstellen.

Tipps zum Ausprobieren

  • Routinen vor den Mahlzeiten einführen, um die Kinder auf die bevorstehende Nahrungsaufnahme vorzubereiten (Tischspruch oder -lied, Löffel und Essen zeigen und erklären, o.ä.).
  • Trotz o.g. Schwierigkeiten versuchen, eine möglichst unverkrampfte und entspannte Essenssituation zu schaffen und sich dem Essenstempo der Kinder anzupassen.
  • Gutes Fixieren/ Festhalten der Kinder beim Essen, um die Probleme durch die unkoordinierten Bewegungen beim Vorgang des Fütterns zu minimieren.
  • Regelmäßige (ggf. kleinere und häufigere) Mahlzeiten.
  • Angedickte Flüssigkeiten statt purer Flüssigkeiten.
  • Fein pürierte Kost.
  • Verzicht auf stark säurehaltige Lebensmittel (siehe Reflux).
  • Spezielle Becher mit weichem Rand.
  • Ggf. Logopädie zur Verbesserung der Mundmotorik und des Schluckvorganges.
  • Nasenmagensonde oder PEG-Sonde.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Fütter- bzw. Schluckschwierigkeiten werden in sämtlichen Publikationen als ein typisches Symptom der PCH2 beschrieben. Von einer Besserung der Fütterschwierigkeiten mit zunehmendem Alter der Kinder wurde in der bis 2014 vorliegenden Literatur nicht berichtet.

Daten aus der Literatur

  • Bei Barth et al. (1995) zeigten 6 von 18 Kindern Fütterschwierigkeiten bereits in der Neonatalperiode (im ersten Lebensmonat).
  • Budde et al. (2008) beschrieben 46 von 51 Kindern mit Fütterschwierigkeiten.
  • Steinlin et al. (2007) beschrieben Fütterschwierigkeiten in 13 von 21 Fällen.
  • Bei Namavar et al. (2011) zeigten sich Fütterschwierigkeiten in 68 von 69 Fällen.
  • Valayannopoulos et al. (2012) beschrieben sie in 5 von 6 Fällen.
  • Claßen et al. (2019) weisen auf die häufig vorkommenden Ernährungsschwierigkeiten von Kindern mit neurologischen Handicaps hin, wobei hierbei insbesondere eine oropharyngeale Dysphagie, die gastroösophageale Refluxkrankheit und die Obstipation hervorgehoben werden. Sie fordern daher, dass in die Betreuung von Patienten mit solch komplexen Problemen regelmäßig auch eine ernährungsmedizinische und gastroenterlogische Expertise mit eingebunden werden sollte.

Natural History Study von 2014

Fütterschwierigkeiten/ Schluckschwierigkeiten waren definiert als Verschlucken, Husten beim Trinken/ Essen, unkoordinierter Schluckakt, Dauer einer Mahlzeit ˃ 30 min. Bis zu einem Alter von 6 Monaten entwickelten alle der 33 Kinder, die an der Studie teilnahmen, Fütterschwierigkeiten. Diese verbesserten sich in 2 Fällen mit zunehmendem Alter der Kinder. In 21 Fällen war die Anlage einer PEG-Sonde notwendig, worüber 8 dieser Kinder ausschließlich ernährt wurden.

Natural History Study von 2023

Fütterschwierigkeiten traten bei 52 von 53 Kindern innerhalb der ersten Lebensmonate auf. Lediglich ein Kind im Alter von 3 Jahren zeigte keine Fütterschwierigkeiten. In 4 Fällen verbesserte sich die Füttersituation innerhalb der ersten 2 Lebensjahre jedoch auch wieder deutlich. Insgesamt berichteten alle Eltern von einer Verbesserung der Fütterschwierigkeiten durch gezieltes Training und eine Abhängigkeit der Problematik von der jeweiligen Tagesform des Kindes.

Dieser Eintrag wurde nach bestem Wissen aufgrund berichteter Erfahrungen von Eltern betroffener Kinder verfasst. Zusätzlich wurden aktuell verfügbare Daten aus der Studie zum natürlichen Verlauf der PCH2 von 2014 und 2023 und der allgemeinen medizinischen Literatur eingearbeitet. Er ersetzt nicht eine ärztliche Konsultation. PCH2cure übernimmt diesbezüglich keinerlei Haftung.

  • Barth P G, Blennow G, Lenard H-G, Begeer J H, van der Kley J M, Hanefeld F, Peters A C B, Valk J (1995) The syndrome of autosomal recessive pontocerebellar hypoplasia, microcephaly, and extrapyramidal dyskinesia (pontocerebellar hypoplasia type 2): Compiled data from 10 pedigrees. Neurology 45: 311-317
  • Budde B S, Namavar Y, Barth P G, Poll-The B T, Nürnberg G, Becker C, van Ruissen F, Wetermann M A, Fluiter K, te Beek E T, Aronica E, van der Knaap M S, Hohne W, Toliat M R, Crow Y J, Steinlin M, Voit T, Roelenso F, Brussel W, Brockmann K, Kyllerman M, Boltshauser E, Hammersen G, Willemsen M, Basel-Vanagaite L, Krägeloh-Mann I, de Vries L S, Sztriha L, Muntoni F, Ferrie C D, Battini R, Hennekam R C, Grillo E, Beemer F A, Stoets L M, Wollnik B, Nurnberg P, Baas F (2008) tRNA splicing endonuclease mutations cause pontocerebellar hypoplasia. Nat Genet 40 (9): 1113-1118
  • Claßen M, Schmidt-Choudhury A (2019) Ernährungsprobleme und Unterernährung bei schwer neurologisch beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen. Monatsschrift Kinderheilkunde Edition 8/2019
  • Namavar Y, Barth P G, Kasher P R, van Ruissen F, Brockmann K, Bernert G, Writzl K, Ventura K, Cheng E Y, Ferriero D M, Basel-Vanagaite L, Eggens V R, Krägeloh-Mann I, De Meirleir L, King M, Graham J M, Jr., von Moers A, Knoers N, Sztriha L, Korinthenberg R, Dobyns W B, Baas F, Poll-The B T (2011) Clinical, neuroradiological and genetic findings in pontocerebellar hypoplasia. Brain 134(Pt 1): 143-156
  • Steinlin M, Klein A, Haas-Lude K, Zafeiriou D, Strozzi S, Müller T, Gubser-Mercati D, Schmitt Mechelke T, Krägeloh-Mann I, Boltshauser E (2007) Pontocerebellar hypoplasia type 2: variability in clinical and imaging findings. Eur J Paediatr Neurol 11 (3): 146-152
  • Valayannopoulos V, Michot C, Rodriguez D, Hubert L, Saillour Y, Labrune P, de Laveaucoupet J, Brunelle F, Amiel J, Lyonnet S, Enza-Razavi F, Attié-Bitach T, Lacombe D, Bahi-Buisson N, Desguerre I, Chelly J, Burglen L, Boddaert N, de Lonlay P (2012) Mutations of TSEN and CASK genes are prevalent in pontocerebellar hypoplasias type 2 and 4. Brain 135:1-5
  • Natural History Study von 2014: Frölich S. Natürlicher Verlauf der Pontocerebellären Hypoplasie Typ 2 [Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin] Tübingen: Eberhard-Karls-Universität; 2014
  • Natural History Study von 2023: Kuhn A L. Gastrointestinale Symptome, Ernährung und Gedeihen bei Pontocerebellärer Hypoplasie Typ 2 A [Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin] Freiburg im Breisgau: Albert-Ludwigs-Universität; 2023

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